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  • AutorenbildAndreas Eich

Ein genauerer Blick auf die Britische Elite

Nach meinem Beitrag zur britischen Klassengesellschaft, und wie sich die Lebenswelten der Oberschicht und dem großen Rest unterscheiden, möchte ich an dieser Stelle einen und persönlichen Blick auf die Elite des Landes werfen. Zur Erinnerung: Da meine Frau mittels eines Vollstipendiums an einer der renommiertesten Privateschulen des Landes ausgebildet wurde (und anschließend an den besten Universitäten), rekrutiert sich unser britischer Freundeskreis aus verschiedenen Schichten und eben auch aus der sogenannten Elite.



Wie ist nun der Umgang mit unseren Freunden aus dieser? Wieder lässt sich zuerst festhalten, die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Einige der Freunde haben Elite-Bildungseinrichtungen besucht und verfügen über betuchte Eltern, andere haben sich die Aufnahme in diesen Kreis durch Talent und harte Arbeit über Stipendien ermöglicht. Zum erlauchten Kreis gehört man zwar eher, wenn genug Geld vorhanden ist, aber es sind auch andere Eintrittsoptionen in diesen Zirkel mit seinen Netzwerken und besseren Karriereoptionen möglich (auch wenn die Optionen immer weniger werden). Die Prägung durch das System ist aber bei allen gegeben.

Unsere Freunde aus diesem Kreis sind alle so hoch gebildet, wie es das britische System zulässt, ihre Schulen haben sie dazu außerdem angeregt, selbständig zu denken, die Welt auf vielfältige Art zu erfahren und sich selbst zu entfalten. Sie sind künstlerisch tätig, wenn nicht beruflich, dann doch privat, sind Stammgast in der vielfältigen Museumslandschaft Londons und bereisen ferne Länder. Sie sind wunderbare Gesprächspartner, mit klugen An- und Einsichten, und immer darauf aus ihrem Horizont zu erweitern. Durch das natürliche Netzwerk, welches sich an britischen Elite-Bildungseinrichtungen formt, erweitert sich Gesprächsrunden außerdem schnell durch weitere interessante aufstrebende Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur.

Wunderbar nicht war? Doch die Bewertung der Elite durch unseren Freundeskreis hat natürlich einen großen blinden Fleck: Sie wären nicht unsere Freunde, wenn sie uns nicht sympathisch wären. Lassen sie ich trotzdem kurz bei dieser Gruppe verweilen.

Für unsere Freunde ist nicht alles eitel Sonnenschein. Manche hadern sehr mit ihren Karrieren, und sind von Selbstzweifeln geplagt. Das ist natürlich bei vielen Menschen so (meiner Erfahrung nach besonders bei den intelligenteren mit Empathie), aber hier scheint mir auch der Einfluss der Schule eine Rolle zu spielen. Eine Freundin erzählte mir lang und breit von ihren Problemen im Beruf. Ein Projekt kam aus verschiedenen Gründen nicht zum Abschluss. Sie analysierte recht eingehend, was die Gründe waren, mit einem besonderen Fokus darauf, warum sie diese nicht beeinflussen konnte, und schloss mit der dem Statement: „Das Projekt ist gescheitert, aber ich bin trotzdem klein wertloser Mensch.“ Das fragende „oder?“ war ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Ihr Selbstwertgefühl definierte sich anscheinend stark über ihren beruflichen Erfolg. Eine Einstellung, die ich weit stärker in diesem Kreis wahrgenommen habe anderswo und die nicht von ungefähr kommt.

Wie in meinem Betrag zum Eton College zu lesen, stehen die Schüler an Privatschulen in einem permanenten Wettkampf zueinander, Schüler gegen Schüler und Gruppe gegen Gruppe, bei akademischen Wettbewerben oder sportlichen Auseinandersetzungen. Der Erfolgsdruck ist so groß, auch und vor allem durch die Bewertungen anderer (Lehrer, Team und Hausmitglieder), dass dieser zu einem definierenden Persönlichkeitsmerkmal wird. Als Folge kann es zu extremen Selbstzweifeln kommen, bereits an der Schule oder spätestens im Berufsleben, wenn der Erfolg mal ausbleibt.

Mit dieser Einschätzung bin ich nicht alleine. Harry Eyres, Eton Allumni und dabei King’s Scholar, Newcastle Classical Preisträger, sowie kurzfristig Lehrer am College, berichtet über den Konkurrenzdruck an der Schule [1]. Er beschreibt seine eigene Niedergeschlagenheit und den Selbstmord von vier Mitschülern kurz nach Verlassen des Colleges. Wie gesagt, die Ansprüche sind hoch, nicht jeder kann dem erzeugten Druck standhalten.

Aber es gibt natürlich auch eine Gruppe, der die Ansprüche keine Probleme bereiten. Nicht dass, dessen Mitglieder die Ansprüche erfüllen. Keineswegs, aber sie sind so sehr von sich selbst überzeugt, dass Rückschläge nicht an ihnen liegen können. (Eyres spricht auch über das Eton Selbstbewusstsein, welches dort vermittelt wird.)  Das sorgt manchmal für ganz erstaunliche Anekdoten.

Eine Freundin arbeitete bei einer größeren Firma in der City (of London). Eines Tages wurde einer der höheren Posten frei. Besetzt wurde dieser jedoch nicht aus dem Pool talentierten Nachwuchskräfte. Sondern durch einen Externen. Na gut, vielleicht war dieser besonders für den Job geeignet oder die Führung wollte frischen Wind in die Firma bringen. Auch dass niemand ihn aus der Branche kannte, war bestimmt kein wichtiger Punkt, oder?

Leider trieb der Neue das ihm anvertraute Projekt vom ersten Tag an ins Chaos.  Jede Warnung schlug er aus, schließlich scheiterte es kläglich. Natürlich stürzte ihn der Ausgang in keine Krise. Schuld am Scheitern war natürlich der Kunde. Die Firma war irisch, ihre Kontaktpersonen waren irisch. Natürlich wollte diese das Projekt scheitern sehen. Immerhin war er Brite und alle Iren hassen ja Briten. So einfach war das. Ohne Selbstzweifel übernahm er gleich das nächste Projekt.

Wie er trotz des Fehlschlags zu diesem kam? Beziehungsweise, wie bekam er überhaupt die Stelle, obwohl er nachgewiesen hatte, überhaupt keine Ahnung von seinem Metier zu haben? Irgendwann lernte die Belegschaft, dass der Herr tatsächlich nicht aus der Branche kam, noch hatte er eine passende Ausbildung erhalten. Aber sein Daddy war ein alter Uni-Kumpel von einem der Chefs und das Old Boys-Netzwerk muss ja zusammenhalten. Unsere Freundin hat die Firma bald verlassen…

Aber ich wollte ja von meinen eigenen Erfahrungen mit einem solchem Exemplar erzählen. Unser Freundeskreis ist uns ja von Grund auf sympathisch, aber manchmal stößt doch jemand dazu, der zur Riege der unverwüstlichen Besserwisser gehört (etwa durch Heirat… nun ja).

Dieser Herr, nennen wir ihn Mr. Oxford, schließlich hat er dort studiert, kann nicht anders als immer und überall seine Fakten und seine Meinung zu teilen.     

Bei einem der seltenen Zusammenkünfte mit ihm fragte er mich unvermittelt, ob ich denn wüsste, dass die deutsche Verfassung von den Briten und auch den Amerikanern geschrieben worden wäre. Ich musste die Frage leider verneinen. Nicht, weil mir der Ursprung des Grundgesetzes unbekannt gewesen wäre, sondern weil seine Aussage nicht stimmte.

Klar, ohne die Zustimmung der Briten, Amerikaner und Franzosen(!) wäre es in den westlichen Besatzungszonen nie zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes gekommen, und ohne ihre Zustimmung hätte diese kaum umgesetzt werden können. Doch geschrieben haben Briten und auch Amerikaner unser Grundgesetz nicht.  Diese Aufgabe hatte man aus sehr guten Gründen den Deutschen überlassen. Eine Demokratie sollte nicht mit dem Diktat der Verfassung durch fremde Mächte beginnen.

Ich versuchte also herauszufinden, ob mein Gegenüber die Aufsicht der Besatzungsmächte meinte, oder die Traditionen, auf denen unser Grundgesetz beruhte, aber nein. Laut Mr. Oxford hatten die Briten wortwörtlich unser Grundgesetz verfasst. Ich versuchte ihn mit allerlei Argumenten vom Gegenteil zu überzeugen, doch seine Antwort ging über ein „Ist aber wohl so“ nicht hinaus… . Fun fact: Mr. Oxford hatte Geschichte studiert.

Natürlich stammt Mr Oxford aus einer stramm britisch-konservativen Familie, die generell nicht viel auf echte Fakten oder Vernunft gibt. Das kam besonders der Pandemie zum Vorschein.

Als wir uns im Sommer 2020 trafen (bzw. treffen mussten), als das Land trotz seiner Ignoranz mal eine niedrige Zahl an Covid-Infektionen aufwies (weil sich die Regierung irgendwann doch der Realität stellen musste und einen Lockdown ausrief.), stellte Mr. Oxford gleich klar, dass er von all diesen Regeln überhaupt nichts hielt, und besonders die inzwischen geltende Maskenpflicht ein eindeutiger Beweis für das Abdriften Großbritanniens in einen Polizeistaat sei.

Ich musste an mich halten, nicht laut loszulachen. Ersten müssen wir uns andauernd an Gesetze und Regeln halten, die unsere persönliche Freiheit zum Wohl der Allgemeinheit einschränken, Fahrverbote etwa, oder den „Zwang“ im öffentlichen Raum Kleidung zu tragen (Glauben sie mir, sie wollen Mr. Oxford nicht nackt sehen.) Da macht das kleine Stück Stoff im Gesicht aus Großbritannien bestimmt keinen Polizeistaat, eher im Gegenteil. Das Inselreich ist gerade besessen davon jeden Quadratmeter im öffentlichen Raum mit Kameras zu überwachen. Da schützt eine Maske private Freiheit eher, als dass sie sie einschränkt, vom zusätzlichen Schutz vor dem Virus ganz zu schweigen. (Vor der Pandemie ist es durchaus vorgekommen, dass die Polizei Leute mit zu dickem Schal vor dem Gesicht angehalten hat, damit diese den Schal entfernen. Ansonsten seien sie durch das Kameraauge nicht zu erkennen.)

Natürlich gaben Mr. Oxford und seine Blutverwandten auch danach nichts auf irgendwelche Regeln und Verbote. Als sich unter ihnen das Virus breitmachte, wurden die Infektionen weder der Obrigkeit gemeldet noch wurden Kontaktpersonen informiert. Handwerker wurden trotz Husten und Fieber ins Haus gelassen, Quarantänemaßnahmen nicht ergriffen. Natürlich erkrankte auch Mr. Oxford und trug das Virus ins eigene Heim, dort wo seine Frau mit dem ersten Nachwuchs im Wochenbett lag (Zum Glück blieb die Episode ohne langfristige Folgen. An seinem Verhalten lag das aber nicht.)

 

Ok, sie werden jetzt vielleicht eine andere Meinung zu Pandemieregeln haben als ich (über die wird noch zu reden sein), oder anmerken wollen, dass sie auch in Deutschland viele arrogante Idioten kennen, die meinen, sie seien die Krone der Schöpfung und unfehlbar. Damit haben sie natürlich recht. Diesen Menschschlag gibt es überall. Aber mir sind in Großbritannien mehr von ihnen begegnet, und mir scheint sie sind besser vernetzt und haben in der Gesellschaft mehr Einfluss, Behalten sie den Punkt mal im Hinterkopf, etwa für den Fall, dass ein Regierungsvertreter (zu einem Großteil ehemalige Privatschüler und/oder Absolventen einer der Elite-Universitäten) wieder über die vielen Ausländer herzieht (früher: die EU), weil es natürlich an diesen liegt, das Großbritannien so viele Probleme hat. An ihnen selbst kann es nicht liegen, sie sind ja unfehlbar.


PS: Apropos Oxford, die Elite und unfehlbar: Die letzten 5 britischen Premierminister (David Cameron, Theresa May, Boris Johnson, Liz Truss, Rishi Sunak) habne alle in Oxford studiert.



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